Die PSG und die Europawahl

 

Von Frank Brenner

 

Nach der letzten Europawahl erschienen auf der WSWS mehrere Artikel, die die Wahlergebnisse analysierten, einschließlich des Ergebnisses der deutschen Sektion des Internationalen Komitees, der PSG (Partei für soziale Gleichheit). Diese Artikel bedürfen eines Kommentars.

 

Zuerst einige Fakten: Die PSG erhielt 9.673 Wählerstimmen. Zum Vergleich: In den vorherigen Wahlen (2004) erhielt die PSG 25.800 Stimmen. Das heißt, die Partei verlor ganze 62,5 % ihrer Wählerstimmen. Dies als einen großen Rückgang zu bezeichnen wäre eine Untertreibung. Weiterhin belegte die PSG den letzten Platz unter den 31 teilnehmenden Parteien, einschließlich einiger äußerst obskurer und kurzfristiger Gruppierungen, welche alles Mögliche anpriesen, von spiritueller Politik bis hin zu den Segnungen von Internet-Tauschbörsen. Dieses Ergebnis ist umso bemerkenswerter, da die Wahlen inmitten der globalen Finanzkrise abgehalten wurden, welche die deutsche Arbeiterklasse hart trifft.

 

Was ist der Grund dafür? Dies sollte sicher eine große Sorge für die Partei sein. Aber man findet keine schlüssige Erklärung auf der WSWS. Ulrich Rippert, der Vorsitzende der PSG, behandelt das Thema in seiner Einschätzung der Wahlkampagne folgendermaßen:

 

Die PSG erhielt 9.673 Stimmen. Das ist erheblich weniger als bei der Europawahl vor fünf Jahren, doch es wäre falsch, die Bedeutung unserer Wahlteilnahme aus dem engen Blickwinkel der Stimmenzahl zu betrachten.[1]

 

Nun, es stimmt dass trotzkistische Parteien keine Wahlstimmen-Maschinen sind, und dass Wählerstimmen nicht die primäre Überlegung ist, die unsere Politik bestimmt. Aber offensichtlich haben Wahlstimmen doch irgendeine Bedeutung. Stellen wir uns vor, die Wahlstimmen für die PSG wären um 62,5 % gestiegen: Selbstverständlich hätte die Partei solch ein Ergebnis als Beweis für den steigenden Einfluss in der Arbeiterklasse verkündet. Tatsächlich passierte genau dies im Jahr 2004. Damals war die WSWS so stolz auf das Wahlergebnis der PSG, dass sie die Zahl in den Titel aufnahm: „PSG gewinnt 25.824 Stimmen“. Der Artikel erklärte: „Diese Zunahme der Stimmenzahl ist von großer politischer Bedeutung. Sie zeigt, dass fortschrittliche Arbeiter, Intellektuelle und Jugendliche beginnen, sich ernsthaft mit politischen Fragen auseinander zu setzen und eine internationale sozialistische Perspektive zu unterstützen.“[2]

 

Doch man kann nicht beides haben: Ein gutes Wahlergebnis sich zu Gute halten, aber die Bedeutung eines Schlechten abzutun. Es sollte außer Frage stehen, dass solch ein dramatischer Einbruch der Wählerstimmen der PSG danach verlangt, ihre Praxis die Arbeiterklasse zu erreichen einer kritischen Neubewertung zu unterziehen.

 

Aber nichts deutet in Ripperts Bericht darauf hin, dass dies passieren wird. So weit es nach ihm geht, ist alles mögliche Schuld an dem Stimmenrückgang, nur nicht die PSG. Die erste in einer ganzen Reihe von Ripperts Ausreden besagt, dass die Partei vor fünf Jahren besser abschnitt, weil es damals „eine starke Protestbewegung gegen Hartz-IV und die unsoziale Politik der Regierung Schröder“ gab, aber „heute, fünf Jahre später, sind die Hoffnungen, den eigenen Interessen im Rahmen des Parlamentarismus Ausdruck zu verleihen, gesunken“. Doch dies ist keine Erklärung, denn die PSG hat niemals solche Hoffnungen geschürt. Wenn überhaupt, dann sollte das Sinken solcher Hoffnungen zu mehr Stimmen für die PSG führen, und nicht weniger.

 

Das gleiche gilt für die nächste Ausrede, nämlich „dass das Europäische Parlament immer deutlicher als das wahrgenommen wird, was es ist: Ein scheindemokratischer Deckmantel [für das europäische Kapital]”, und so gab es viele Enthaltungen. Doch noch mal, die PSG hat nie solche Illusionen geschürt, so dass es sinnlos ist, damit den Verlust der Stimmen zu erklären. Außerdem war die Wahlenthaltung zwar hoch (57 %), aber sie war nicht höher als 2004; tatsächlich war die Wahlbeteiligung diesmal geringfügig angestiegen.

 

(Nebenbei will ich anmerken, was Ripperts Ausreden für das Wahlergebnis der Partei von 2004 bedeuten. Wenn es stimmt was er sagt, dann hat die große Mehrheit der Wähler vor fünf Jahren die PSG aus völlig fehlgeleiteten Gründen gewählt – weil sie mit der Wahl die Hoffnung verbanden „den eigenen Interessen im Rahmen des Parlamentarismus Ausdruck zu verleihen“ oder als Ausdruck ihrer demokratischen Illusionen vom Europäischen Parlament. Dies würde bedeuten, dass die Stimmen nichts mit dem Programm der PSG zu tun hatten. Stattdessen wären dies nur zufällige Proteststimmen gewesen, die die PSG aufgefangen hat. Wie wir gesehen haben, hat die WSWS das Wahlergebnis 2004 nicht so dargestellt. Aber wenn wir trotzdem annehmen, dass dies wahr ist, würde das bedeuten, dass die PSG in beiden Wahlen keine Auswirkung auf dass Bewusstsein der Massen hatte. Dies wäre ein noch wichtigerer Grund für eine kritische Neubewertung der Parteiarbeit.)

 

Rippert hat noch zwei weitere Ausreden. Zum ersten sei in Folge der massenhaften Verluste der Volksparteien eine Vielfalt von kleinen und Ein-Themen-Parteien entstanden, auf die sich Wahlstimmen verteilt hätten. Dies ist zwar richtig, aber kein Argument: Wenn die Massen die Volksparteien verlassen, sollte dies einer Partei die für den revolutionären Marxismus eintritt helfen und nicht schaden, insbesondere inmitten einer Wirtschaftskrise. (Andererseits hätte dieses Argument etwas Gültigkeit, wenn die meisten PSG-Stimmen in 2004 tatsächlich nur zufällige Proteststimmen waren, denn nun gab es viel mehr Parteien für den Protest. Aber dies würde nur erneut bestätigen, wie wenig Einfluss die PSG auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse hat).

 

Schließlich klagt Rippert, natürlich zu Recht, dass die Massenmedien den PSG Wahlkampf „durchgehend boykottiert“ haben, aber dies zählt ebenso wenig, denn die Massenmedien waren im Wahlkampf 2004 sicher nicht weniger feindlich.

 

Nach diesen wenig überzeugenden Ausreden versucht Rippert den schlechten Wahlausgang mit einigen positiven Ergebnissen auszugleichen: Die Partei konnte einige neue Mitglieder gewinnen und einige neue Ortsverbände schaffen, und hat viele positive Rückmeldungen erhalten. So kommt Rippert zu folgender haarsträubender Schlussfolgerung:

 

Weitaus wichtiger als die relativ geringe Zahl an Wählerstimmen ist neben diesen konkreten Erfahrungen die Tatsache, dass das Wahlergebnis die politische Einschätzung der PSG in vollem Umfang bestätigt [Hervorhebung hinzugefügt].

 

Also ist die politische Einschätzung „in vollem Umfang“ – in vollem, nicht weniger! – obwohl die Partei zwei Drittel ihrer Stimmen verlor. Man kann sich fragen, ob mit ein paar weiteren solchen „Bestätigungen“ die Unterstützung für die Partei vollends verschwinden wird.

 

Was bedeutet es zu sagen, die politische Einschätzung wurde „in vollem Umfang bestätigt“? Rippert verweist auf den schwinden Rückhalt für die Sozialdemokraten als „historische Zäsur“, was sicher richtig ist (obwohl es wohl kaum die große analytische Stärke des Marxismus bedarf, um dies zu bemerken). Wie auch immer, eine marxistische Analyse der Politik schätzt die Beziehungen der Klassenkräfte ein, um die Eingriffe der Partei in die Arbeiterklasse zu lenken. Daher wäre eine ehrliche Untersuchung der politischen Praxis der PSG ein wichtiger Teil der Analyse. „Lenins Schule war die Schule des revolutionären Realismus“, schrieb Trotzki einst, womit er meinte, die Bolschewiken „übertrieben nicht die Erfolge, verfälschten nicht das Kräfteverhältnis, versuchten nicht, durch Geschrei zu wirken.“[3]

Aber Ripperts Artikel ersetzt revolutionären Realismus durch Schönfärberei. Er erklärt einen ernsten politischen Rückschlag weg, indem er auf ein Mantra der IK Führung zurückgreift: Dass immer und überall die Perspektiven der Partei bestätigt werden.[4] Offensichtlich hatte diese Bestätigung nichts mit der Parteipraxis zu tun, und das bedeutet, dass Theorie und Praxis fundamental auseinander gehalten werden. Historisch war dies charakteristisch für opportunistische Tendenzen in der marxistischen Bewegung, aber solch eine Trennung ist ebenso für sektiererische Tendenzen charakteristisch.

 

Hierzu sollten einige von Trotzkis Warnungen vor Sektierertum zitiert werden:

 

Es reicht nicht, ein korrektes Programm aufzustellen. Es ist notwendig, dass die Arbeiterklasse dieses Programm annimmt. Aber der Sektierer, in der Natur der Sache, kommt nach der ersten Hälfte der Aufgabe zu einem vollständigen Halt. Aktives Eingreifen in die tatsächlichen Kämpfe der arbeitenden Massen ersetzt er durch abstrakte Propaganda für ein marxistisches Programm […] Obwohl er in jedem Satz Marxismus schwört, ist der Sektierer die direkte Negation des dialektischen Materialismus, welcher Erfahrung zu seinem Ausgangspunkt macht und immer zu ihr zurückkehrt. Ein Sektierer versteht die dialektische Interaktion zwischen einem fertigen Programm und dem lebendigen (d.h. unvollkommenen und unfertigen) Kampf der Massen nicht.[5]

 

Dies hat direkten Bezug zu Ripperts Artikel. Nur durch Ausschluss der „dialektischen Interaktion“ zwischen Parteiprogramm und den Kämpfen der Arbeiterklasse ist es für ihn möglich zu erklären, dass die politische Perspektive der PSG „in vollem Umfang“ bestätigt wurde. Solche „Bestätigungen“ sind trotz ihrer marxistischen Rhetorik, wie Trotzki sagt, „die direkte Negation des dialektischen Materialismus“. Man könnte hinzufügen, dass Ripperts Ausgleichen des schlechten Wahlergebnisses mit „positiven Erfahrungen“ ebenso an dialektischem Verständnis mangelt. Nur wenige neue Mitglieder werden lange in einer Bewegung verbleiben, die auf dem Niveau von „abstrakter Propaganda für ein marxistisches Programm“ stecken geblieben ist und unfähig ist, zu einen „aktiven Eingriff in den realen Kampf der arbeitenden Massen“ überzugehen. In diesem Sinne gibt es eine Verbindung zwischen der Rekrutierung und der Schulung von neuen Kräften und der Fähigkeit der Partei, während Wahlkämpfen bei weiten Teilen der Arbeiterklasse Gehört zu finden. Um die Partei aufzubauen muss man einen Weg zu den Massen finden.

 

Doch wenig deutet darauf hin, dass die Führung der PSG Interesse daran hat, sich von der abstrakten Propaganda wegzubewegen und einen Weg zu den Massen zu finde. Dies sieht man, wenn man die Aufmerksamkeit darauf lenkt, was politisch in der Arbeiterklasse geschieht. Das Ergebnis der Europawahlen macht klar (wie auch Rippert anmerkt), dass viele Arbeiter die Volksparteien verlassen, insbesondere die Sozialdemokraten. Wohin gehen diese Arbeiter?

 

Obwohl die politische Landschaft stark zersplittert ist, gibt es einen nachweisbaren Trend, dass einige Arbeiter (die stärker Verwirrten und Rückständigen) zu den verschiedenen rechts-populistischen Bewegungen gewechselt sind. Doch in Deutschland, gibt es einen anderen Trend: Ein beträchtlicher Teil der Arbeiter ist zu Linkspartei gewechselt, einem Amalgam aus abtrünnigen Sozialdemokraten, Gewerkschaftsbürokraten und den Resten der alten Stalinisten aus der DDR.

 

Dies ist eine wichtige Veränderung in der deutschen Arbeiterklasse und verlangt von Marxisten sorgfältige Aufmerksamkeit. Die Linkspartei ist unzweifelhaft eine reformistische Falle für die Arbeiterklasse, ein Mittel, um die Arbeiter die mit der SPD brechen wollen wieder zurück in die bürgerliche Politik zu bringen. Also ist es die Aufgabe von Marxisten, diese Arbeiter für ein revolutionäres Programm zu gewinnen. Die Frage lautet, wie?

Wenn man die WSWS liest, könnte man denken, dies kann schon allein durch geschehen, dass man wiederholt Verurteilungen der Linkspartei heraus bringt. Dies ist so ziemlich die Einstellung eines abstakten Propagandisten. Dieser hält das politische Leben für eine „große Schule“, wie Trotzki schreibt, „und er ist dort der Lehrer“. Der „Lehrer“ erteilt Verkündigungen und Verurteilungen, und erwartet eine automatische Reaktion, dass „die Arbeiterklasse weniger wichtige Dinge zur Seite legt, und sich um seine Rednerbühne scharrt.“[6] Wenn dies nicht passiert, antwortet der propagandistische „Lehrer“ mit noch mehr vom gleichen.

 

Es stimmt, dass die Linkspartei das Ziel hat, „so lange wie möglich Illusionen in das Programm der Sozialdemokratie zu schüren und eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse zu verhindern“, wie ein aktueller Artikel der WSWS feststellt[7]. Aber die Unterstützung für die Linkspartei ist ein Ausdruck für die Desillusionierung der Massen mit der SPD. Dies bedeutet, dass es notwendigerweise zu Spannungen zwischen der Parteiführung und ihren Unterstützern kommt. Diese Spannungen sind bereits im Projekt den Reformismus wiederzubeleben angelegt. Da dies im Kontext der aktuellen globalen Finanzkrise unmöglich ist, eröffnet sich für Marxisten ein Weg, eine Brücke zum sozialistischen Bewusstsein für diese Arbeiter zu bauen.

 

Natürlich darf man diesen Arbeitern nichts über den verrotteten Charakter der Politik der Linkspartei verschweigen, aber wir müssen mit diesen Arbeitern einen Dialog eingehen, indem man an ihren Kämpfen teilnimmt, an ihre Hoffnungen und Sehnsüchte appelliert und Forderungen stellt, die helfen können die Spannungen in der Partei zu offenzulegen und zu schärfen. In anderen Worten, müssen wir diesen Arbeitern durch ihre eigenen Erfahrungen zeigen, dass die sozialistische Revolution der einzige Weg ist, um die Reformen die sie wollen zu erzielen.

 

Aber ein abstrakter Propagandist scheut sich vor der „unvollkommenen und unfertigen“ Natur der Entwicklung von Massenbewusstsein. Die Linkspartei ist eine reaktionäre Formation, basta – das ist so ziemlich der Standpunkt der PSG. Aber man kann sich nicht für einen Dialog mit den Arbeitern öffnen, wenn man einzig und allein die Partei die sie unterstützen verurteilt.

 

Sicher, die WSWS Artikel haben die Spannungen in der Linkspartei bemerkt, aber dies geschieht niemals in der Absicht, um einen Eingriff unter die Unterstützer der Partei zu fördern. Vor den Europawahlen wurden diese Spannungen offenbar, als einige prominente Mitglieder der Linkspartei, alle vom rechten Flügel, aus der Partei austraten und behaupteten, dass die Partei zu radikal geworden ist. In der Berichterstattung auf der WSWS gab es keinen Hinweis darauf, dass diese Spannungen den Druck der Massen ausdrücken könnten, in welcher verzerrten Form auch immer. Im Gegenteil, die Analyse der PSG war, dass diese rechten Abtrünnigen die Linkspartei verließen, als „diese Partei selbst merklich nach rechts rückte“.[8]

 

Wie soll man dann die Austritte der Rechten erklären? Der Autor des Artikels gesteht ein, dass es „zunächst paradox erscheinen mag, dass führende Vertreter des rechten Parteiflügels trotz dieser Rechtsentwicklung die Partei verlassen.“ Er erklärt weiter, dass diese Rechten „sich uneingeschränkt hinter die bestehende Ordnung stellen“ wollen, doch die Führung der Linkspartei unter Lafontaine und Gysi meine, dass es „verfrüht [sei], auf radikale Phrasen zu verzichten.“

 

Doch wenn dies stimmt, dann rückt die Partei nicht „merklich nach rechts“. Eher wendet sie sich nach links, aber nur in ihrer Rhetorik und uneinheitlich (mehr würde man von einer reformistischen Formation auch nicht erwarten). Wenn Lafontaine und Gysi nicht bereit sind, auf linke Phrasen jetzt zu verzichten, selbst wenn sie von einigen Rechten verlassen werden, dann muss das sicherlich zu einem gewissen Grad auf den Druck von ihren Unterstützern aus der Arbeiterklasse zurückzuführen sein. In anderen Worten: Die Analyse in dem Artikel ist verworren, und was in dieser Verwirrung verloren geht, ist die mögliche Öffnung für einen wichtigen Eingriff durch die revolutionäre Bewegung.

 

In einem anderem Artikel über das Ergebnis der Linkspartei in den Europawahlen, wird erneut gesagt dass „die Linkspartei den Spuren der SPD [folgt] und bewegt sich weiter nach rechts. Das geht nicht ohne innere Reibungen.“[9] Und da erneut die Reibungen am rechten Flügel auftauchen, ist es sinnlos zu sagen, dass die Partei „sich weiter nach rechts bewegt“. Aber auch wenn man dies durchgehen lässt, wenn es „Reibungen“ durch eine „Bewegung nach rechts“ gibt, dann bedeutet dass, das die Parteiführung in einen Konflikt mit ihren Unterstützern in der Arbeiterklasse gerät. Umso mehr ein Grund für Trotzkisten, um ihr bestes zu tun diese Reibungen auszunutzen um den Arbeitern zu zeigen, dass der revolutionäre Sozialismus ihnen einen Ausweg sein kann.

 

Doch es gibt keinen Hinweis in den Artikeln, dass die PSG irgendetwas anderes in dieser Sache tun wird, als weitere Verurteilungen herauszugeben. In anderen Worten, sie unternehmen nichts, um sich in lebendiger Weise mit den Hoffnungen und Erfahrungen der vielen Arbeiter zu verbinden, die derzeit die Linkspartei unterstützen.

 

Stattdessen scheint die WSWS erpicht darauf zu sein, jeden Rückgang der Unterstützung für die Linkspartei zu berichten: „Es ist bezeichnend, dass die Linkspartei in den Umfragen trotz Krise an Unterstützung verliert.“[10] (Doch leider könnte man das gleiche auch von der PSG sagen). Als sie von den Ergebnissen der Linkspartei bei den Europawahlen berichtete, behauptete die WSWS dass die Partei „vom Niedergang der Sozialdemokratie bei der Europawahl vom vergangenen Sonntag überhaupt nicht profitieren [konnte].“ Obwohl das Ergebnis für die Linkspartei tatsächlich enttäuschend war, konnte die Partei ihr Wahlergebnis tatsächlich geringfügig steigern (um 1,4 %). Trotzdem kam die die WSWS schnell zum Schluss, dass dieses Ergebnis der klare Beweis dafür sei, dass „Arbeiter, Arbeitslose und Empfänger von Hartz IV sich von der Linkspartei immer weniger vertreten sehen.“ [11] Wenn das auf eine Partei zutrifft, die ihr Ergebnis verbessern konnte, kann man sich nur fragen, welche Schlussfolgerung man über eine Partei ziehen sollte, die zwei Drittel ihrer Stimmen verlor.

 

Man bekommt den Eindruck, dass während die PSG ihre eigenen Rückschläge schön redet, sie gleichzeitig die politische Aufgabe Anhänger der Linkspartei zu gewinnen durch Wunschdenken ersetzt. Das übereifrige Abschreiben der Linkspartei ist in Wirklichkeit ein Ausdruck von Frustration. Nachdem man völlig damit gescheitert ist, sich bei den Leuten die diese Partei unterstützen Gehör zu verschaffen, hofft die PSG, dass die Linke von selbst verschwinden wird. Doch wenn die Linkspartei Unterstützung verliert, wohin gehen die Arbeiter dann? Offensichtlich nicht zur PSG. Während der Abgang einer reformistischen Stütze des Kapitalismus willkommen wäre, ist die entscheidende Frage, was mit der Parteibasis passiert. Wenn sie nicht für den revolutionären Marxismus gewonnen wird, dann wäre der Abgang der Linkspartei tatsächlich ein Signal für sich vertiefende Verwirrung und politische Spaltung der Arbeiterklasse.

 

Frustration und Wunschdenken sind schlechte Führer für die revolutionäre Praxis. Die Idee, dass das Verschwinden der Linkspartei es irgendwie einfacher machen wird, Arbeiter für die PSG zu gewinnen ist eine gefährliche Illusion. So lange spontanes Bewusstsein in der Arbeiterklasse vorherrscht, werden Formationen wie die Linkspartei unausweichlich erneut auftauchen, und es wird erneut die Aufgabe der Trotzkisten sein, sich für einen Dialog mit diesen Arbeitern zu öffnen und für sie Brücken zum sozialistischen Bewusstsein zu bauen. Nur durch solche Eingriffe können Marxisten es Arbeitern ermöglichen, reformistische Hindernisse bewusst zu überwinden, um politische Unabhängigkeit und Befreiung zu erreichen.

 

Das Ergebnis der Europawahlen ist eine Warnung, dass die PSG einen langen, strengen Blick auf ihre eigene Arbeit werfen muss. Sie hat noch keinen Weg zu den Massen gefunden, und diese Aufgabe sich noch nicht einmal zum Ziel gesetzt. Wenn sie sich nicht umorientiert, weg vom Sektierertum und hin zu der Perspektive des Übergangsprogramms, wird sie immer mehr zur „direkten Negation“ des revolutionären Marxismus.

 



[1] „Die Bedeutung des Europawahlkampfs der PSG“, WSWS, 11. Juni 2009: http://www.wsws.org/de/2009/jun2009/wahl-j11.shtml

[2] „Europawahl: PSG gewinnt 25.824 Stimmen“, WSWS, 15. Juni 2004: http://www.wsws.org/de/2004/jun2004/psg-j15.shtml

[3] Leo Trotzki, Geschichte der russischen Revolution, Bd. 2, Kap. 13 „Die Bolschewiki und die Sowjets“. http://marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1930/grr/index.htm

[4] Mehr hierzu bei Alex Steiner, “The Dialectical Path of Cognition and Revolutionizing Practice”: http://www.permanent-revolution.org/polemics/dialectical_path.pdf, S. 56f sowie Marxism Without its Head or its Heart, Kapitel 1: http://www.permanent-revolution.org/polemics/mwhh_ch01.pdf, S. 22.

[5] Leo Trotzki, „Sektierertum, Zentrismus und die vierte Internationale“, 22. Okt. 1935. http://permanent-revolution.org/forum/2009/05/sectarianism-centrism-and-fourth.html

[6] Trotzki, ebd.

[7] „Linkspartei verfehlt ihr Ziel bei der Europawahl“, WSWS, 12. Juni 2009. http://www.wsws.org/de/2009/jun2009/link-j12.shtml

[8] „Die Linkspartei verliert zwei prominente Mitglieder“, WSWS, 21. Mai 2009. http://www.wsws.org/de/2009/mai2009/link-m21.shtml

[9] „Linkspartei verfehlt ihr Ziel bei der Europawahl“, WSWS, 12. Juni 2009. http://www.wsws.org/de/2009/jun2009/link-j12.shtml

[10] „Die Linkspartei verliert zwei prominente Mitglieder“, WSWS, 21. Mai 2009. http://www.wsws.org/de/2009/mai2009/link-m21.shtml

[11] „Linkspartei verfehlt ihr Ziel bei der Europawahl“, WSWS, 12. Juni 2009. http://www.wsws.org/de/2009/jun2009/link-j12.shtml